Fröhliche Verse
Wir Verse haben’s immer gern
Beschwingt und bunt und sinnig,
Und jede Zeile pfeift vergnügt:
Man schrieb mich, also bin ich.
Wir lieben die Geselligkeit
Und treffen uns zuzeiten
In Büchern und bestaunen uns
Ob unsrer Eigenheiten:
So elegant und fesch und flott
Wie wir ist nichts auf Erden.
Doch gibt’s so manches Topmodell:
Da kannst du neidisch werden.
So sind die Jungs der Heine-Art
Beständig in der Blüte.
Das kommt, weil deren Gönner sie
Mit viel Esprit besprühte.
Auch die aus Weimar haben’s gut:
Man trimmte sie vor Orte
Auf Edelfäule und zum Wein
Der megageilsten Sorte.
Wir stoßen miteinander an,
Auf unsere Vollender!
Und trinken zur Gesundheit dann
Auf unsre edlen Spender.
Wein und Dichtung, handverlesen
Wein und Dichtung, handverlesen,
Sind von Heilkraft schon gewesen.
Wir empfehlen insgemein
Goethe sowie Schillerwein.
Dichtkunst, Wein sind ohne Tadel,
Weil in beiden Geist von Adel,
Der den Patient durchfließt,
Bald nachdem er beides liest.
Verdienstvolle Träume
Wir Träume sind den Leuten
Durchaus zum Freund gemacht.
Wir sind wie Therapeuten
Und schuften in der Nacht.
Wir sind die Nachtaktiven
Vom Wach- und Schließverein.
Selbst wenn die Augen schliefen:
Wir hängen voll uns rein.
Wir duften und umschwärmen
Die Menschen auf Kulanz,
Und erst beim Weckerlärmen
Verduften wir uns ganz.
Wir Träume sind wie Sterne
Der Nacht nur zugedacht.
Sonst hätten wir auch gerne
Den Tag zum Traum gemacht.
Erntezeit im Garten Eden
Wunderbäume steh’n in Eden,
Die mit Versen hübsch bestückt,
Und das Edelobst lockt jeden,
Der da plant, dass er es pflückt.
Doch in jenem schönen Fleckchen
Fand schon manch ein Germanist,
Dass ein Vers trotz roter Bäckchen
Schon mal widerspenstig ist.
Denn Herr Zeus kam auf den Trichter,
Dass die Muse mit Genuss
Germanisten sowie Dichter
Vor dem Pflücken küssen muss.
Drum ein Ratschlag, der mir bliebe:
Macht der Muse guten Mut -
Nähert Versen euch mit Liebe
Und putzt euch die Zähne gut!
Nachricht aus Delphi
In Delphis Tempel prophezeit
Das göttliche Orakel
Uns Irdischen im Jammertal
Mal Glück und mal Debakel.
Im Fall des Falles spricht zu uns
Nach Zahlung der Kollekte
Aus jener Dame tief ein Gott
In seinem Dialekte.
Auch ich ging neulich gramgebeugt
Zu dem markanten Orte
Und sprach, von Schwaden halb verhüllt,
Zur Gottheit diese Worte:
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„Erhabene, erhöret mich,
Ich bin ein deutscher Sänger.
Doch hör’ ich deutsche Volksmusik,
So wird mir bang und bänger.
In ARD und ZDF
Will diese Pein nicht enden.
Seht ihr ein Ende meiner Not
Und wird das Blatt sich wenden?“
Da dampft und zischt es fürchterlich
Im griechischen Gemäuer.
Die Gottheit raunt durch’s Medium:
„Das ist dein Fegefeuer!
Du büßt mir da manch Missetat,
Denn Macken hast du viele,
Doch meine harte Strafe hat
Die Läuterung zum Ziele.“
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Jetzt schau ich „volksmusik.tv“;
Man sieht, mit guten Gründen.
Und wenn ich Silbereisen seh’,
Gedenk ich meiner Sünden.